Stadtkirche Bad Schmiedeberg

Wir begrüßen Sie ganz herzlich in der 565-jährigen ev. Stadtkirche zu Bad Schmiedeberg! Dieser Text möchte Ihnen etwas aus der wechselvollen Geschichte dieser Kirche und der Gegenwart unserer evangelischen Kirchengemeinde erzählen:

„anno domini 1453“ - so steht auf einem Stein über dem Südportal. Damit ist das Datum genannt, an dem der Kirchenbau geweiht worden ist. Erbaut wurde er auf den Resten einer ersten romanischen Wehrkirche, die 1429 im Zuge der Hussitenkriege zerstört worden war. Rechts und links des südlichen Hauptportals sind die alten Mauerreste noch deutlich zu erkennen. Groß und ansehnlich ist die neue Kirche im spätgotischen Stil geworden, länger, breiter und heller als ihre Vorgängerin. Gut vorstellbar, dass sich der Neubau über viele Jahre und in mehreren Bauetappen hingezogen hat. Die nicht völlig gerade Mittelachse ließe sich so erklären.

Schon 66 Jahre nach ihrer Erbauung, 1519, wird die Kirche durch die Einsetzung eines neuen, reformorientierten Pfarrers mit der lutherischen Lehre vertraut. 1528 ordnet Martin Luther bei einer Kirchenvisitation das nun evangelische Gemeindeleben. Jeden Sonn- und Feiertag ist Gottesdienst mit Predigt, an den Wochentagen finden Andachten statt, die Kinder werden unterrichtet und die ganze Gemeinde soll angehalten werden, „einander zu helfen, friedlich und einig zu sein und ein Herz und eine offene Hand für die Armen zu haben“.

Die Epoche des 30-jährigen Krieges berührte unsere Stadt und diese Kirche mehrfach. So wurde vom 27. zum 28. November 1632 der wenige Tage zuvor (6.11.) in der Schlacht bei Lützen gefallene Schwedenkönig Gustav II. Adolf  unter großer Anteilnahme der evangelischen Christen in der Kirche aufgebahrt, bevor er in seine Heimat überführt wurde.
Im Februar 1637 sehen die Schmiedeberger die Schweden wieder, diesmal aber als Feinde. Ein schwerer Brand zerstört Stadt und Kirche, deren gotisches Kreuzrippengewölbe 1640 unter dem Brandschutt zusammenstürzt. Es berührt uns, dass die dezimierte Gemeinde trotz größter Not nach dem Ende des Krieges 1648 sofort daran ging, ihre Kirche wieder aufzubauen. 1650 werden die ersten Gottesdienste gefeiert.

1681 wird die im Inneren nun barock gestaltete und ausgestattete Kirche (ehemalige Orgel 1657, Taufstein 1673, Kanzel 1676, Altar 1680/81) neu geweiht. Dem verdienstvollen Pfarrer Daniel Ziegra, der 30 Jahre lang die Gemeinde leitete, wird 1724 ein kunstvolles Epitaph im Altarraum gewidmet. 1731 komplettieren Ratsherrenstuhl und Emporen den Kirchenraum.

Der der Romantik verpflichtete Orgelbauer Conrad Geißler, Eilenburg, baut im Jubiläumsjahr 1853 eine Schleifladenorgel, die 1930 pneumatisch umgebaut und 1997 durch die Orgelbaufirma Voigt, Bad Liebenwerda, wieder zur mechanischen Orgel rückgeführt  wurde.

Im Februar 1904 bricht in der Türmerwohnung ein Brand aus, der den oberen Teil des Turmes völlig zerstört. Das Kirchenschiff erleidet durch die Löscharbeiten erhebliche Wasserschäden. Die Entwürfe zu der folgenden Restaurierung im neoklassizistischen Stil liefert der Historienmaler und Mosaikkünstler Professor August Oetken aus Berlin; seine Firma übernimmt auch die Ausführung.  Aus dieser Zeit stammen auch die farbigen Fenster im Altarraum mit Darstellungen der Weihnachts- und der Osterbotschaft.

Nach dem 1. Weltkrieg wird zum Gedächtnis der Gefallenen im Untergeschoss des Turmes eine Kapelle eingerichtet. In die expressionistische Farbgestaltung wurde ein gotisches Kruzifix integriert. Heute dient sie uns als „Raum der Stille“ und Ort der Besinnung.

Große finanzielle und materielle Schwierigkeiten setzten der klein gewordenen Kirchgemeinde nach 1945 zu. Trotzdem werden die zwei im 2. Weltkrieg eingeschmolzenen Glocken 1954 durch neue ersetzt, und 1972 das Dach eingedeckt. 1986 werden die vier großen Fenster im Kirchenschiff in Blei gefasst. Damit war das Mögliche getan, um das Bauwerk in seinem Bestand zu sichern.

Seit 1992 wurde die Kirche umfassend saniert und restauriert. Über drei Millionen DM mussten allein zur Rettung des Dachstuhls und zur Beseitigung der Schwammschäden aufgebracht werden. In den letzten Jahren erfolgten die Innenraumsanierung in der Farbfassung von 1904/05 sowie die Restaurierung des Altares, des Taufsteins sowie der Ostwand der Eingangshalle. Dies alles war nur möglich durch größten persönlichen Einsatz von haupt- und ehrenamtlichen Verantwortlichen, durch die beharrliche Beantragung von Fördermitteln und das Einwerben von Spenden.

Dank gilt dabei den Vergabestellen bei Bund und Land, dem Regierungspräsidium Dessau, der Ev. Kirche Mitteldeutschland, dem Kirchenkreis Wittenberg und der Ev. Kirche der Union, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn, der Lotto-Toto-GmbH Sachsen-Anhalt, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, dem Arbeitsamt Wittenberg, der Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg Kur GmbH und vielen gesellschaftlichen und privaten Spendern.


In zwei Bauabschnitten wurde 2011 und 2015 der das Stadtbild prägende Kirchturm aufwändig saniert. Die notwendigen 300.000 Euro wurden von Landeskirche und Kirchenkreis, der Lotto-Toto-GmbH Sachsen-Anhalt und durch die Übernahme von Stufen-Patenschaften erbracht.

 

 

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Für den Zeitraum 2017 bis 2019 plant die Gemeinde die barrierefreie Erschließung des Kirchengebäudes durch die Öffnung eines alten Einganges an der Südseite mit einer vorgelagerten Rampe. Fördermittel erhält die Kirchengemeinde aus dem Programm ELER, dem europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. ELER unterstützt in Sachsen-Anhalt Menschen, die für ihre Gemeinden, Betriebe, Vereine oder Initiativen Ideen für Projekte haben, mit denen sie die Entwicklung in der Land- und Forstwirtschaft, dem Tourismus oder auch der Umwelt voranbringen. Der ELER fördert und erhält die Vielfalt in den ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts.

 

Vielleicht geht nun noch der letzte Wunsch in Erfüllung: den „Eingang ins Paradies“, die herrlichen mittelalterlichen Wandmalereien in der südlichen Eingangshalle, zu konservieren und für die zukünftigen Generationen zu sichern!

So begleitete und beherbergte unsere Stadtkirche die Menschen in Bad Schmiedeberg seit vielen Generationen durch Kriegs- und Friedenszeiten. Sie hat Katastrophen überstanden dank des Aufbauwillens und des Gottvertrauens der Generationen vor uns und ist aus Asche auferstanden zu immer wieder neuer Schönheit.
Und wie vor 565 Jahren ist jeden Sonn- und Feiertag Gottesdienst. Kinder lernen vom Glauben, Erwachsene finden Gesprächspartner, alt Gewordene werden begleitet. Ehrenamtliche leisten selbständige Arbeit, Opfer und Spenden finanzieren das Gemeindeleben und manches Projekt tätiger Hilfe.

Zugleich ist dieses Gotteshaus Kirche im Kurort Bad Schmiedeberg. Sie darf auch unseren Gästen aus Nah und Fern in ihrem Bemühen um Genesung und Gesundung Einkehrort und Raum für Stille, Besinnung, Gebet, Lob und Klage sein.

Seit April 2005 trägt die Stadtkirche das Signet „Verlässlich geöffnete Kirche“. Damit wird das Bemühen gewürdigt, das Bauwerk an fünf Wochentagen jeweils für vier Stunden zum Besuch zu öffnen. In Zusammenarbeit u.a. mit dem Verein MITTELDEUTSCHE KIRCHENSTRASSE e.V. sollen weiterhin Ausstellungen und Konzerte organisiert werden.
So war und bleibt unsere Kirche Raum für Gottes Wort und Sakrament und Ort des Gebetes. Zugleich ist sie ein gutes Stück Geschichte und Kultur dieser Region. In jedem Fall ist sie ein bewahrenswertes Erbe unserer Mütter und Väter!

Gott schenke diesem Haus, diesem Ort und Ihnen allen seinen Segen!

 

 

Stand Frühjahr 2018